Dienstag, 2. Juli 2013

Regenschirmtetris

Der Regen in Schottland scheint schwerer zu sein als an anderen Orten. Große, dicke Tropfen kleben an den Scheiben und treten schwerfällig den Weg zum Boden an, überall sieht man die mannigfaltige Grau-Farbpalette der Stadt und des Himmels, unterbrochen von tausend Strichen, die schwarze Punkte auf den Asphalt malen. Gegen dieses Wetter kann man sich, außer mit modischen Mülltüten, nur mit Regenschirmen schützen. Und in Anbetracht der Tatsache, dass Edinburgh 486.000 Einwohnern hat und mindestens die Hälfte davon irgendwie einmal am Tag das Haus verlassen muss, kann man sich vorstellen, dass an Tagen wie heute viele Menschen mit vielen Regenschirmen unterwegs sind. Die engen Straßen hier sind aber für so etwas nicht erbaut, Platz ist nicht selbstverständlich. Und so betritt man nicht nur eine Straße im Regen, man betritt eine Tanzfläche im Regen. Und wir alle tanzen den Tetristanz. Ich bin meistens ein T-Baustein, aber ab und an bin ich gezwungen ein I-Baustein zu werden. Es ist von den mir entgegenkommenden Menschen abhängig. Das verlangt gutes Augenmaß und perfektes Timing.
Vermutlich könnte diese Choreografie wunderbar funktionieren, aber wie wir schon im Chemieunterricht gelernt haben: Es gibt keine geschlossenen Systeme. (Chemiestudenten würden an dieser Stelle kritisieren, dass es geschlossene Systeme sehr wohl gibt, aber keine abgeschlossenen  Systeme. Aber das ändert nichts an der Tatsache:) Irgendetwas stört immer. Im Falle des Regentanzes gibt es zwei "Fremdkörper", die alles durcheinander bringen können (und es auch tun):



(1) Typ "Speedy Gonzales": Menschen, die keine Lust haben auf den Bus zu warten, aber auch nicht zu nass werden wollen und zufällig gutes Schuhwerk anhaben. Rennen wie von der Tarantel gestochen im Zickzack um alle anderen herum, schneiden gerne scharf die Vorfahrt und schrecken auch nicht davor zurück mit spontanen Pfützensprüngen anderen Passanten die Hose zu beschmutzen. 

(2) Typ "The Dude": Überwiegend Schotten (in T-Shirt und kurzen Hosen), die betont langsam durch die Straßen schlendern, ein leichtes Schmunzeln für alle Hastenden übrig haben und sich auch gerne mal eine Sonnenbrille aufsetzen, um klar zustellen: Das ist Sommer in Schottland.

Um in diesem Wildwasserpark einigermaßen trocken zu bleiben, muss man schnell sein und sich auf seine Instinkte verlassen. Nicht zu nah an der Bordsteinkante laufen (Auto + Pfütze = Du bist nass.), nicht zu nah an den Seiten laufen (Nasse Zäune, tiefhängende Äste.) Das ist ein harter Alltag. Einige ergeben sich den widrigen Bedingungen und tragen Regencapes. Noch bin ich nicht verzweifelt genug diesen Schritt zu gehen, noch hält mein Regenschirm dem Wind und den schweren Tropfen stand. Doch man weiß nie. Eine Böhe mehr und da kann er auch schon kaputt sein. Ein Kampf gegen die Mächte der Natur. So ist er eben, der Sommer in Schottland.

PS.: 



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