Freitag, 14. Juni 2013

Though this be madness, yet there is method in't.

Ich weiß nicht wie viel Zucker und Koffein ich diese Woche zu mir genommen habe, ich weiß nur, dass ich es anders gar nicht durchgehalten hätte. Das war eine Woche, die starke Nerven verlangte. Selbst Almut, der Fels in der Brandung, hat mehr Kaffee getrunken als üblich.
Ich meine, ich habe mich ja inzwischen daran gewöhnt, dass es hier sowieso immer anders kommt, als man es geplant hat, aber diese Woche hat noch einmal alles übertroffen. Ständig kamen neue Problemfälle, ständig mussten ernste Dinge besprochen werden (im Aufzug, in der Cafeteria, im Frauenklo), immer wurde alles, was Almut und ich uns vorgenommen hatten, vertagt. Das zerrt an der Substanz. Vor allem an meiner. Ich bin das ruhige Bibliothekarsleben gewöhnt, das nur ab und an durch den lauten Knall eines umfallenden Buches unterbrochen wird. Und ich bin es gewohnt nur an einer Aufgabe zu arbeiten. Aber in Schottland läuft das nicht so. Nein, nein. Hier habe ich nun schon mindestens 5 Projekte parallel in Arbeit und wann ich auch nur eines davon beende, ist unklar, denn: Eine ins Zimmer stürzende Almut ist nie weit entfernt. Und Nutzer mit ihren Problemen auch nicht. (Nutzer sind sowieso immer ein Problem in Bibliotheken.) Und es ist alles immer dringend und kurzfristig. Und das ist unfair, denn das bedeutet: ICH KANN KEINE VERNÜNFTIGE TEEPAUSE MACHEN!
Aber es gibt sie trotzdem ab und an noch, die ruhigen Momente, in denen ich Schilder für den Zettelkatalog schreibe und ich mich vollkommen in meine Arbeit vertiefen kann. Und dann ist der Stift alle und mein Tag ruiniert. Aber der Colaautomat in der Kantine ist nicht weit und 60 Pence immer zur Hand. Denn es muss ja weitergehen. Und wenn der Stift alle ist, dann werden eben die Location Codes für gefühlte 5000 Bücher geändert. Oder Almut hat einen neuen Fall. 
Langweile ist jedenfalls wirklich ein Fremdwort geworden. Diese Woche war ich quasi konstant umgeben von Menschen, die gerade an ihrer Doktorarbeit schreiben oder schon ihren Doktortitel haben. (Ich war sehr froh, dass mir die Peinlichkeit nach der Frage meiner eigenen Doktorarbeit erspart wurde. Aber ich hatte mir ein Thema zurecht gelegt: Shortbread - Warum hier? Warum nicht in Deutschland? Eine transatlantische Beobachtung). Und Menschen, die geheime Forschungen nach seltenen Manuskripten betreiben. Und das ist so geheim, dass man Gespräche auf deutsch führen muss, damit keine Details publik werden. Es gab diese Woche wirklich Besprechungen, da wusste ich nicht ob ich lebend nach Hause komme, weil ich einfach zu viel weiß. Und dazu dann immer Kaffee mit drei Packungen Zucker.

Ich mag es hier. Ich mag es wirklich. Nur ich weiß nicht wie lange mein Herz das noch mitmacht.


Mein Lieblingsspiel: Wer findet die lustigste Zettelkatalogkarte? (Ich. Immer ich.)

PS.: Ich habe diese Woche erfahren, dass es in der British Library in London einen Bibliothekar gibt, dessen Aufgabe es ist, die Seiten von sehr seltenen und alten Büchern umzublättern, wenn Forscher darin lesen wollen. Das ist mein neuer Traumberuf. Und vielleicht darf ich mir auch die Handschuhfarbe aussuchen.

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